Strategien für eine gute Moderation
Moderation und traditionelles Unterrichten
Das Moderationstraining in einer non-formaler Lernumgebung kann sich stark von Unterricht in Schulen unterscheiden. Traditionell ist ein Lehrer oder eine Lehrerin eine Person, die in erster Linie Wissen vermittelt. Moderation hingegen bedeutet, Menschen durch einen Lernprozess zu begleiten, in welchem sie Fähigkeiten entwickeln. Der Moderator schafft die richtigen Rahmenbedingungen, damit der Einzelne sich Wissen und Fähigkeiten, selbstgesteuert und seinen spezifischen Bedürfnissen entsprechend, aneignen kann. Dies ist einer der Aspekte des Empowerments.
Was ist mit Empowerment gemeint? Auf der individuellen Ebene bedeutet es, die eigene Macht zu spüren, zu akzeptieren und zu nutzen, um selbständig und motiviert zu handeln. In der Bildung kann Empowerment als ein Prozess gesehen werden, bei dem man Kompetenzen erwirbt im Bereich des öffentlichen sozialen Handelns, der kooperativen Organisation und der Beteiligung an öffentlichen Entscheidungsprozessen. Empowerment für ein erfolgreiches bürgerschaftliches Engagement spricht somit die Dimension der Macht in sozialen Aktivitäten an.
Die Moderation zielt darauf ab, sich auf das bereits vorhandene Wissen, die Fähigkeiten und das Potenzial des Einzelnen zu konzentrieren. Der Unterschied zwischen Empowerment und traditioneller Bildung liegt in der Einstellung gegenüber der Gruppe der Lernenden. Um eine Metapher zu verwenden: Beim traditionellen Lernen ist der Lehrer der Koch und hofft, dass die Gruppe das Gericht und seine Zutaten mag. Bei einem moderierenden Ansatz darf jeder kochen. Jeder erforscht das Rezept, die Zutaten und die Gewürze, die ihm oder ihr am besten helfen.
Bei der Moderation geht es darum, den Erfahrungen und dem Wissen der Teilnehmenden mehr Bedeutung beizumessen als im traditionellen Unterricht. In diesem Sinne ist Moderation ein Schritt zum Austausch von Expertise und Wertschätzung.
Wissen und Erfahrung sind zwei Seiten derselben Medaille, wenn es um die Lernformen geht, die in der Moderation oder im traditionellen Unterricht stattfinden. Als Moderator:in hilfst du mit deinen methodischen Fähigkeiten den Lernenden, ihre Motivation und ihre Interessen ins Spiel zu bringen, und förderst einen gemeinschaftlichen Lernprozess. Moderator:innen helfen den Lernenden, Motivation zu finden, Ziele zu bestimmen, Handlungsstrategien zu entwickeln, über ihre vorhandenen Fähigkeiten nachzudenken und ihre Herausforderungen zu erkennen. Dies hat auch einige Auswirkungen auf seine oder ihre Position innerhalb der Gruppe. In traditionellen Lernumgebungen ist die Rolle der Lehrkräfte klar: Sie stehen vor der Gruppe. Als Moderator:innen stehen wir zwar immer noch meist vor der Gruppe, wir halten uns jedoch eher im Hintergrund, beobachten vom Rand aus und fungieren als Vermittler:innen oder Coaches. Manchmal übernehmen auch die Teilnehmenden die Führung.
In Bezug auf deine Rolle könntest du auf spezifische Fragen eingehen, wie zum Beispiel: Muss ich hier etwas erklären oder sollte ich mich auf die aktive Gruppenarbeit konzentrieren? Welcher Teil der Erklärung, die ich vorbereitet habe, ist wirklich hilfreich?
Bürgerschaftliches Engagement inspirieren
In den letzten Jahrzehnten hat sich unser Menschenbild durch einen partizipatorischen Paradigmenwechsel erheblich verändert. Der Philosophie von Demokratie und Teilhabe folgend, haben alle Menschen das Potenzial, sich an öffentlichen Diskussionen und Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Dies bedeutet, dass sie in der Lage dazu und motiviert sein sollten, dieses Potenzial zu nutzen, da die demokratische Entwicklung der Gesellschaft davon abhängt.
Wie Moderator:innen die Begriffe "Demokratie", "Empowerment" oder "Aktivismus" wahrnehmen, hat Einfluss darauf, wie ihre Teilnehmenden diese Themen erleben. Darüber hinaus werden die Teilnehmenden als glaubwürdige und authentische Gestalter in ihrer Gemeinschaft wahrgenommen, wenn sie auch eine demokratische und empowernde Einstellung haben. Mit anderen Worten: Bürger:innenkompetenz ist weitgehend eine Einstellung - jenseits von Wissen und Fähigkeiten.
Inspiriert zu sein bedeutet, zum Handeln angespornt zu werden. Sich selbst zu überraschen. Chancen zu entdecken, Herausforderungen zu meistern. Ermutigt zu werden, sich anzustrengen, sich begeistert und zuversichtlich zu fühlen. Die Inspiration kommt von innen und ist ein Spiegel des inneren Zustands, der Wünsche und Erwartungen eines Menschen.
Inspirierend sind...
Werte und Vertrauen:
- in Mitarbeitende, ihre Ideen und Fähigkeiten vertrauen,
- Gerechtigkeit und Ehrlichkeit praktizieren (Fristen einhalten, Versprechen einhalten, Transparenz zeigen),
- Raum lassen für Experimente und Fehler,
- die eigenen Werte und Leidenschaften nicht aus den Augen verlieren;
die Einstellung der Moderator:innen:
- Wenn er/sie sich des Wertes von Worten bewusst ist (motivierend, ermutigend),
- Wenn er/sie selbstkritisch ist,
- Wenn er/sie lösungsorientiert (kreativ) und nicht problemorientiert ist,
- Wenn er/sie Einfühlungsvermögen und Verständnis zeigt und Erfolge und gewonnene Erkenntnisse hervorhebt,
- Wenn er/sie zur Reflexion einlädt,
- Wenn er/sie die Mitarbeitenden ermutigt, sich einzubringen und aus ihrer Komfortzone herauszukommen,
- Wenn er/sie Mitarbeitende ermutigt, bei Bedarf um Hilfe zu bitten.
Gute Rahmenbedingen für Zusammenarbeit schaffen
Menschen werden nur dann voll und ganz aktiv, wenn sie sich sicher und respektiert fühlen. Deshalb musst du als Moderator Grundregeln aufstellen, die auf menschenwürdigen und demokratischen Prinzipien beruhen. Außerdem musst du der oder die Erste sein, der oder die diese Prinzipien durch das eigene Verhalten befolgt.
- Wir können Vertrauen als die Gewissheit bezeichnen, dass in unserem gemeinsamen Umfeld alles nach den Werten der gegenseitigen Achtung, der Autonomie und der persönlichen Verantwortung abläuft.
- Transparenz schafft die Voraussetzungen für eine Beteiligung. Denn nur wer das Gefühl hat, über alle relevanten Informationen zu verfügen, wird in der Lage sein, sich in vollem Umfang zu beteiligen. Transparenz hat mit Beweggründen und Zielen, Bedingungen und Regeln zu tun - die am besten geteilt und nicht aufgezwungen werden.
- Es klingt selbstverständlich, aber gegenseitiges Kennenlernen schafft eine gute Atmosphäre für die Zusammenarbeit: Stelle sicher, dass sich alle Teilnehmenden zumindest dem Namen nach kennen, und gib nach und nach mehr persönliche Informationen weiter.
Um eine gute Gruppenerfahrung zu machen, schlagen wir eine Reihe von Grundregeln vor, die du diskutieren und auf deine Umgebung anwenden kannst:
- Die Diskretion-Regel: "Was wir hier sagen, bleibt hier." Das gibt den Teilnehmenden ein sicheres Gefühl. Natürlich gilt diese Regel auch für Bilder, persönliche Geschichten, Videos und alle Inhalte, die nicht ohne ausdrückliche Genehmigung weitergegeben werden dürfen (z. B. auf Social Media).
- Die Stopp-Regel: "Wann immer sich ein Teilnehmender aus irgendeinem Grund unwohl fühlt, darf er oder sie STOPP sagen." Und es ist nicht notwendig zu erklären, warum.
- Die Widerspruch-Regel : "Jeder hat das Recht, zuzustimmen und zu widersprechen." Auch die Ansichten von Minderheiten haben ein Recht darauf, mit Respekt gehört zu werden. Diejenigen, die in der Mehrheit sind, dürfen sie nicht relativieren oder verharmlosen. Vielmehr: Sie müssen sich in Empathie üben.
Was bedeutet Einfühlungsvermögen?
Einfühlungsvermögen oder Empathie ist ein Prozess der emotionalen Intelligenz, der es uns ermöglicht, die Gefühle und Bedürfnisse unserer Mitwirkenden zu verstehen. Zu verstehen oder zu fühlen, was die andere Person erlebt, d.h. uns in ihre Lage zu versetzen. Jedes Mitglied der Gruppe muss dies üben! Es gibt viele Übungen dazu: Wir schlagen vor, eine Gruppensitzung zu veranstalten, um diese Fähigkeit zu trainieren.
Es gibt vier grundlegende Kriterien für die Anwendung von Empathie:
- Nimm die Perspektive der anderen Person ein und anerkenne, dass dies ihre Wahrheit ist.
- Vermeide es, das Verhalten einer Person als "richtig" oder "falsch" zu beurteilen.
- Akzeptiere die Gefühle der anderen Person und ihr Recht, diese Gefühle zu empfinden und sich dabei ernst genommen zu fühlen.
- Vermittle diese Akzeptanz, indem du die andere Person wissen lässt, dass sie jedes Recht hat, ihre eigene Perspektive und ihre Gefühle zu haben, und dass jemand ihr ernsthaft zuhört.
Wenn die Grenzen zwischen Moderator:innen und Teilnehmenden fließender werden, können sich für die Moderator:innen Herausforderungen ergeben. Das Teilen der gleichen Werte und der Vision einer partizipativen und pluralistischen Zivilgesellschaft ist eine Voraussetzung für die Schaffung einer vertrauensvollen Atmosphäre, in der sich die Teilnehmenden anderen gegenüber öffnen können. Andererseits gibt es immer wieder Situationen, in denen die Moderator:innen Anleitung geben, als Vorbild fungieren oder andere durch ihre Erfahrung oder ihr Fachwissen inspirieren müssen.
In einer gemeinsamen und ganzheitlichen Lernumgebung werden auch die Moderator:innen in den Prozess einbezogen, und zwar kognitiv, erfahrungsbezogen und emotional. Die Beziehung zu den Teilnehmenden hat direkt Einfluss auf den Lernprozess. Die Herausforderung besteht darin, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Teilnehmenden aufzubauen, ohne dabei das gewünschte Ergebnis aus den Augen zu verlieren. Mit anderen Worten: Wir sind Teil des Spiels, aber wir sind auch Partner mit einer größeren Verantwortung für das Ganze. Eine gute Beziehung zwischen Moderator:innen und Lernenden kann zu einer Erfahrung führen, bei der es den Eindruck macht, dass Lernen und Moderation mehr oder weniger automatisch stattfinden - ein für beide Seiten gewinnbringender Vorgang.
Konstruktives Feedback geben
Feedback ist nicht einfach ein Synonym für "Kritik": Es ist ein konstruktives Instrument, das die Qualität der Kommunikation durch drei Aspekte verbessert: Wertschätzung (was mir gefallen hat), Kritik (was mir nicht gefallen hat) und Inspiration (was ich vorschlagen würde).
Wenn du Feedback gibst, solltest du dich an diese Regeln halten:
- Dein Feedback muss für die andere Person nützlich und von Bedeutung sein.
- Es soll dich vertreten: Verwende Sätze in der ersten Person Singular "ich", nicht "du" oder "wir" (z.B. "Ich habe deinen Vortrag nicht verstanden", statt "Dein Vortrag war unverständlich").
- Trenne Gefühle von Beobachtungen.
- Beschreibe, anstatt zu interpretieren (z. B. "Du hast viel mit den Händen und dem Kopf gestikuliert", anstatt "Du warst aufgeregt und nervös").
- Respektiere die Person in ihrer Gesamtheit (z. B. "Wenn du aufgeregt bist, wird deine Stimme lauter, und das macht mich nervös", statt "Du hast eine nervige Stimme, wenn du aufgeregt bist").
- Denke stets daran, aus welcher Position heraus du dein Feedback gibst.
Auch wenn du ein Feedback erhältst, gibt es einige Tipps, die du befolgen kannst:
- Wenn dir etwas unklar ist, frage nach.
- Diskutiere oder kommentiere nicht.
- Entscheide im Stillen, welche Aspekte oder Kommentare du akzeptierst und welche du nicht akzeptierst.
- Wenn du möchtest, kannst du dich bei der anderen Person bedanken.
Sich der Vielfalt bewusst sein
Der Fokus auf die individuellen Bedürfnisse beinhaltet ein Bewusstsein dafür, dass jeder Mensch anders ist. Unsere Teilnehmenden haben unterschiedliche Stile, Einstellungen, Erfahrungen oder kulturelle und soziale Hintergründe. Die meisten Schulsysteme neigen oft dazu, diese Vielfalt zu homogenisieren. Moderation bedeutet, Unterschiede zu respektieren und sogar als Bereicherung anzuerkennen. Jeder profitiert von einem gesteigerten Bewusstsein für Vielfalt, indem er oder sie erkennt, dass unterschiedliche Wege zu ähnlichen Zielen führen können.
Die Herausforderungen liegen auf der Hand. Das Bewusstsein für Vielfalt ist ein Lernfeld, so dass wir nicht davon ausgehen können, dass jeder unsere Werte anerkennt. Außerdem ist es unsere Aufgabe, als Vorbilder zu agieren und durch authentisches und glaubwürdiges Handeln zu überzeugen. Hier wird die abstrakte Theorie durch konkretes Verhalten vor einer Gruppe demonstriert.
Wir sollten uns jedoch darüber im Klaren sein, dass Konflikte und Gewalt in der Welt um uns herum existieren und "stille Besucher:innen" in unserem Lernraum sind. Und ehrlich gesagt - wäre es nicht langweilig, auf einer Insel der Harmonie ohne Uneinigkeit und widersprüchliche Meinungen zu leben? Deshalb fördern wir die Fähigkeit zu lernen, mit Meinungsverschiedenheiten zu leben.
Ein Konflikt entsteht, wenn eine Person ein Bedürfnis hat und dieses Bedürfnis nicht befriedigt wird. Mindestens zwei Parteien (Einzelpersonen, Gruppen, Staaten usw.) sind an einem Konflikt beteiligt. Manchmal scheint es, dass die Befriedigung des Bedürfnisses der einen Partei mit der Befriedigung des Bedürfnisses der anderen Partei unvereinbar ist.
Jeder Konflikt hat seine positiven und negativen Seiten. Diese hängen von verschiedenen Faktoren ab. Wir wissen jedoch, dass Konflikte störend sind und zerstörerisch sein können. Konflikte tragen aber auch dazu bei, positive Beziehungen zu schaffen und schlechte Beziehungen durch Veränderung zu verbessern. Durch gutes Konfliktmanagement verbessern Moderatoren die Qualität und Effizienz der Kommunikation in einer Gruppe und statten die Teilnehmer mit Konfliktmanagementfähigkeiten aus.
In einem späteren Abschnitt dieses Kurses wirst du mehr über dieses Thema erfahren.
Referenzen (in englischer Sprache):
Competendo – Facilitator Handbook #1 https://competendo.net/en/hb/stepstowardaction.pdf
Competendo – Facilitator Handbook #2 https://competendo.net/en/hb/holisticlearning.pdf
Competendo – Facilitation step-by-step https://competendo.net/en/images/f/fd/Fsbs-competendo.pdf