2. Gesellschaftlich bedeutende Aspekte von Zugehörigkeit

2.1. Heimat

Lasst uns diesen Abschnitt mit einem Videobeitrag des WDR beginnen und zuerst einen Blick darauf werfen, was Schüler*innen einer multikulturellen Schule zum Begriff Heimat zu sagen haben:



Es wird deutlich, dass beim Begriff Heimat die nationale Zugehörigkeit eine Rolle spielt. Aber es ist ebenso klar, dass Heimat sich nicht ausschließlich oder hauptsächlich auf der Basis von Nation oder Kultur, und auch nicht rein räumlich definieren lässt.

Interessant ist in dieser Hinsicht auch diese Forsa-Umfrage zum Thema "Bedeutung von Heimat" aus Deutschland. Hier ist - ähnlich wie bei den Schüler*innen - der Begriff überwiegend positiv besetzt und bezieht sich mindestens ebenso stark auf die soziale (Familie, Freunde) wie auf die räumliche Dimension (und hier wesentlich mehr auf den Wohnort als auf die Nation).





Die Ergebnisse des Eurobarometer 2018 über Verbundenheit zu Wohnort, Land und Europa bzw. EU verdeutlichen wiederum, dass das abstraktere und weiter entfernte Europa oder die bürokratische EU im Vergleich zu Wohnort und Nation weniger "Zugehörigkeitsgefühl" erzeugen.



"Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl!" singt Herbert Grönemeyer im gleichnamigen Lied aus dem Jahr 1999. Beinahe alle Menschen sehnen sich nach Heimat, und die meisten verstehen sie wie Herbert Grönemeyer als ein Gefühl. Auch in Österreich lebende Zuwander*innen fühlen sich mit dem Land, in dem sie wohnen, zu einem weit überwiegenden Teil eng verbunden.




2.1.1. Globale Problemlagen im Themenfeld "Heimat"


Immer wieder entstehen um Heimat, verstanden als Ausdruck von sozialer, räumlicher oder kultureller Zugehörigkeit, mehr oder weniger intensiv ausgetragene Konflikte.

  • In gefestigten demokratischen Systemen werden diese üblicherweise argumentativ auf der politischen Ebene ausgetragen. Parteien und Zivilgesellschaft nehmen widerstreitende Positionen ein und setzen sich im öffentlichen Raum - in den Medien, im Internet, auf der Straße - darüber auseinander.

  • Wo die Mittel einer demokratischen Austragung eines Konflikts nicht ausreichend vorhanden sind, etwa in Diktaturen, Militärregimes, aber auch in "unechten" oder "illiberalen" Demokratien führen unterschiedliche Positionen zu Fragen von Zugehörigkeit oft zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die Gewalt kann dabei von staatlichen (Militär, Polizei) und auch von nicht-staatlichen Akteuren (einzelnen Menschen oder Gruppen) ausgehen. Sie kann sich gegen das System und seine Vertreter*innen und/oder andere Gruppen, oder auch gegen Sachen und/oder Menschen richten. Terrorismus und Krieg sind die extremsten Formen, die gewaltsame Konflikte um Zugehörigkeit annehmen können.

Ich möchte nun noch kurz zwei Beispiele von global strukturierten Konflikten rund um Zugehörigkeit und Heimat vorstellen.

  • Zum einen die Auseinandersetzungen um das Kopftuch, die - derzeit vor allem im Kontext von Schulen diskutiert - als Paradebeispiel eines politischen Konfliktes um Zugehörigkeit und Heimat gelten können. Die Auseinandersetzung findet in sehr vielen Teilen der Welt statt, in Europa genauso wie in den USA, der Türkei oder dem arabischen Raum. Ich möchte hier das Beispiel Österreich herausgreifen. (Der Beitrag ist nicht ganz aktuell, fasst aber die wesentlichen Argumente gut zusammen. Für aktuelle Debatten bitte einfach die Zeitung aufschlagen. :-) )


  • Zum anderen betrachten wir den Krieg im Jemen. Über diesen ist wenig bekannt, obwohl er bereits seit fast 30 Jahren mehr oder weniger intensiv verläuft. Außerdem steht er sowohl hinsichtlich seiner Ursache (als religiöser Konflikt) als auch seiner Verlaufsform (internationale, auch ökonomische Verstrickungen) prototypisch für viele aktuelle kriegerische Auseinandersetzungen um Zugehörigkeit und Heimat.